Rezension: Wild World – Julia Dibbern & Nicola Schmidt

Rezension wild world

Wild World: “Wie Kinder an der Welt wachsen und Eltern entspannt bleiben”.
Erschienen im März diesen Jahres im Beltz Verlag. Erhältlich als gebundenes Buch oder auch als Ebook/Epub.

 

Eltern ermutigen

Dieses Buch ist für Eltern von Kindern, die ihre ersten Schritte alleine in die Welt hinaus wagen. Ob es nun das drei- oder sechsjährige Kind ist. Kinder werden irgendwann auf eigene Faust die Welt entdecken und wir können sie darin bestärken und ihnen Wurzeln geben, damit sie gut fliegen können.

"Wir möchten euch hier gerne stärken: Eltern müssen gar nicht so viel. Denn wenn wir ein gutes Fundament haben, können wir uns auch Fehler leisten, Irrwege gehen, in Sackgassen landen und am Ende doch ans Ziel kommen."

Die in der Attachment Parenting Szene bekannten Autorinnen Nicola Schmidt und Julia Dibbern, möchten uns Eltern in diesem Buch dazu ermutigen, unsere Kinder in die wilde Welt hinaus zu lassen. Zwar scheint unsere Welt manchmal etwas düster, aber sie ist auch positiv zu sehen und deshalb wollen sie uns bestärken und ermuntern aufzustehen und etwas zu ändern.

"Wir müssen aufstehen und sagen: Die Kinder sind okay! Wir Eltern sind okay! Die Kinder können das, wir Eltern auch, und verflixt, die Welt ist gar nicht so schlecht wie ihr Ruf! Wir können sie verändern. Jetzt. Gemeinsam. Hier."

Sie schreiben, dass geborgene Kinder ganz leicht in die große weite Welt ziehen werden, weil sie ein gutes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl besitzen. Sie können sich des Rückhaltes ihrer Eltern sicher sein. Abhängig ist dies auch von den Empfindungen und Äußerungen von uns Eltern. Ein Kind, welches immer zu hören bekommt, wie gefährlich es überall ist, wird misstrauisch, ängstlich und übervorsichtig sein.

Aufruf für einen liebevollen Umgang

Im Buch appellieren Julia und Nicola, wie auch in ihren anderen Büchern, an einen respekt- und liebevollen Umgang mit Kindern. Sie sagen, wir dürfen uns in der Familie auch authentisch zeigen und unsere Gefühle kindgerecht offenbaren. Und wenn wir uns mal unfair unseren Kindern gegenüber verhalten haben, können wir uns bei ihnen entschuldigen, denn dadurch lernen sie, dass wir Erwachsenen nicht perfekt sind, dass wir Fehler machen und für diese gerade stehen. 

Weiterhin geht es im Buch darum, den Kindern altersgerechte Verantwortung für gewisse Bereiche zu übergeben. Viel zu oft wundern sich Eltern, warum ihr Kind nicht hilfsbereit genug ist. Ein genannter Grund dafür könnte die “abtrainierte” Hilfsbereitschaft und Selbstständigkeit in jungen Jahren sein, wenn wir die Dinge lieber selbst in die Hand genommen haben, weil es für uns so schneller und besser ging.

Sie weisen uns darauf hin, dass wir unser „Dorf“ brauchen. Menschen, die uns den Rücken freihalten und uns behilflich sind. Das trägt nicht nur zu einem geringeren Sterberisiko bei, schreiben sie, sondern es erleichtert uns auch das Loslassen unserer Kinder, weil wir uns der Hilfe anderer sicher sein können. Sie schreiben, dass wir natürlich nicht jeden, der Gemeinschaft zu liebe akzeptieren müssten, doch appellieren sie auch an Toleranz anderen gegenüber. Nicht gleich das Handtuch zu werfen, sondern das aufgebaute Netzwerk zu hegen und pflegen, Probleme anzusprechen, um gemeinsam zu wachsen und Lösungen zu finden. Wahrhaftes Zuhören, den Gegenüber ernst nehmen und zu respektieren, sei dafür unerlässlich.

 

Ein für mich spannendes Kapitel: Familienresilienz

Familienresilienz bedeutet, dass die Familienmitglieder an Herausforderungen wachsen, miteinander arbeiten, sich gegenseitig unterstützen und Problemlösungen finden. Sie gehen gestärkt aus einer Krise hervor, verbunden mit positiven Gefühlen. Ohne Schuldzuweisungen, Machtausübungen oder anderen destruktiven Handlungen.

„Resiliente Kinder haben bestimmte Eigenschaften, die sich im weiteren Leben als ungemein günstig erweisen. Ihr Weltbild ist positiver und sie sind handlungsfähiger und optimistischer als Kinder, die mit Belastungen nicht so gut fertig geworden sind.“

Außerdem werden 10 Wegweiser beschrieben, wie man die Resilienz - Schutzfaktoren: 

  • feste Bezugsperson
  • Motivation, Leistung zu erbringen 
  • positives Selbstwertgefühl und 
  • realistische Zukunftsperspektiven erreichen kann.

Wirklich ein interessantes Thema!

Im Kapitel Wild Parents appellieren sie an uns, den Kindern auch mal unbeobachtete Zeit zu lassen.

 “Lasst sie raus. Lasst sie ziehen. Im Zweifelsfall “Schickt sie sogar raus!”

In diesen unkontrollierten Freiräumen finden Kinder selbst Problemlösungen, erleben sich als selbstwirksam. Julia und Nicola erinnern uns daran, dass wir solche Zeiten selbst als Kinder hatten und wie wertvoll diese waren. Sie beschreiben, was allgemeine Angst und die Angst um unsere Kinder mit uns und unserem Körper macht und geben uns dafür eine Strategie an die Hand.

Sie geben zu, dass es nicht einfach ist, nichts zu tun, wenn unsere Kinder Probleme mit Freunden oder der Schule haben. Wir wollen oft sofort helfen. Doch sollten wir abwägen, ob das Kind wirklich Hilfe braucht und auch möchte, im letzteren Fall wird es dies auch so kommunizieren. Wir sollten daher in uns hineinhorchen, um herauszufinden, ob es vielleicht eher unser Thema ist und wir deshalb die Angst schlecht aushalten können.

“Wir werden also nicht umhinkommen, uns mit unseren Themen zu beschäftigen: mit unseren Verletzungen, Erfahrungen und Lernprozessen. Nur dann können wir die Kinder im richtigen Moment beschützen und halten und sie im richtigen Moment loslassen."

Weitere Themen sind u. a.: Medienkonsum, Achtsamkeit, Lob, Schlafmangel und seine Tücken, Grenzen, Vorbild sein, Bindung, Umgang mit Konflikten, Verantwortung übernehmen und beibringen

 

Mein Fazit:

Im Buch werden lebensnahe Beispiele aufgezählt, sodass der Leser sich schnell angesprochen und verstanden fühlt. Wir erhalten Einblicke in Julia`s und Nicola`s Familienleben. Sie zeigen sich verletzlich und auch mal ängstlich und beschreiben, wie auch sie in bestimmten Situationen mit ihren Kindern nervös und unfair geworden sind. Sie geben praxisorientierte Tipps, die leicht umzusetzen sind. Ich konnte viel aus dem Buch mitnehmen und gleich ausprobieren. Der Text ist leicht verständlich geschrieben und bindungs- und bedürfnisorientiert.

Lies auch meine Rezension zum "Der Elternkompass" von Nicola Schmidt.

Oder auch zu ihrem Buch "Erziehen ohne Schimpfen".

Julia Dibbern

Julia Dibbern (links) und Nicola Schmidt zählen zu den innovativen Erziehungsexpertinnen Deutschlands. Im In- und Ausland geben sie Kurse zu Attachment Parenting und naturnaher Erziehung.Ihr Vorgänger-Buch “Slowly family” erschien im Oktober 2018.
Fotos vom Beltz-Verlag zur Verfügung gestellt.

Nicola Schmidt

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