Lass soviel Autonomie zu, wie du ertragen kannst

Kind klettert auf Hochsitz

Anfangs ist alles noch relativ geschmeidig, unser Baby lässt sich von A nach B tragen, es ist noch auf unsere Hilfe angewiesen. Wir bestimmen, wo es sich aufhält. Sobald das Kind aber mobiler und autonomer wird, möchte es zunehmend selber entscheiden, in welche Richtung es sich bewegen möchte. Es möchte Dinge, die es bei uns beobachtet hat, selber ausprobieren. Für manche Eltern stellt dies eine Herausforderung dar. Es wird anstrengend. Das Autonomiebestreben verstärkt sich. Lies mehr dazu in meinem Beitrag "Autonomiephase und emotionale Entwicklung".

Die Exploration des Kindes

Das Kind beginnt seine Umgebung zu erkunden und wir wollen es verständlicherweise vor Gefahren schützen. Doch manchmal sind wir überangstlich oder zu bequem, weil wir gerade eine Pause brauchen und daher nicht jeden Schritt unseres Schützlings begleiten möchten. Wir schränken unser Kind dann ein.

“STOOOOP”, “Pass auf, du fällst hin!”, “Hör auf damit, du machst dich/alles ganz schmutzig!”, “Das ist zu hoch, das schaffst du noch nicht alleine!” oder auch "Wenn du das nicht alleine schaffst, kannst du es halt nicht machen!" sind dann Sätze, die du vermutlich auch schon gesagt hast oder noch aus deiner eigenen Kindheit kennst.

Ich bin selber so aufgewachsen und die alten Muster zeigen sich auch bei mir hin und wieder. Dann muss ich in mich hineinspüren und mich fragen, was macht mir gerade Angst oder warum möchte ich im Moment nicht kooperieren? Ist es wirklich so gefährlich? Sind es meine eigenen Erfahrungen aus der Kindheit, die mich beeinflussen? Bin ich gerade einfach zu bequem, um mein Kind bei seiner Exploration zu begleiten? Oder sehe ich die Arbeit, die ich dann dadurch habe?

Doch beschränken wir unsere Kinder zu oft in ihrem Erleben, so nehmen wir ihnen wichtige Erfahrungen.

 

Unsere Kinder sind Entdecker und Erforscher von Anfang an. Sie möchten die Welt mit all ihren Sinnen begreifen. Sie lernen dadurch jeden Tag, jede Minute und Sekunde. Und das ist auch gut so. Dadurch verbinden sich im Gehirn Neuronen miteinander, die Lernen ermöglichen.

Natürlich lassen wir unser Kind nicht einfach über die Straße rennen oder andere lebensgefährliche Dinge ausprobieren. Aber sie dürfen auch mal hinfallen. Dann ist es an uns, sie zu trösten und in den Arm zu nehmen. Sie werden wieder aufstehen und es von vorne versuchen. Wenn nicht heute, dann an einem anderen Tag. Dann, wenn sie der Ehrgeiz packt und ihre innere Motivation wieder aktiv wird.

Autonomie

Unterstützung durch liebevolle Begleitung

Kinder brauchen Begleitung bei ihren Aktivitäten und wir dürfen ihnen gut zusprechen, daran werden sie wachsen. Ihr Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen wird gestärkt. Sie möchten sein, wie ihre Vorbilder, haben den Drang uns nachzuahmen, um in ihren Fähigkeiten zu wachsen.

Wir können sie klettern lassen und hinter ihrem Rücken stehen oder ihnen eine Hand reichen, um sie im Notfall aufzufangen. Wir können eine Umgebung schaffen, die wenig Intervention unsererseits nötig macht. Zu viele “Neins” aktivieren den Gegenwillen (verlinken) unserer Kinder. Umso weniger Gestaltungsfreiraum wir ihnen ermöglichen, desto mehr äußert sich ihr Autonomiebestreben.

Eine passende “Ja”-Umgebung wäre also ideal. Eine Umgebung, in der wir so wenig “Nein” wie möglich sagen müssen, in der sich Kinder ganz nach ihren derzeitigen Interessen austoben können und wo alle Gefahrenquellen (Steckdosen mit Sicherung, Putzmittel & Medikamente unerreichbar durch Schranksicherung, Treppe mit Kindersicherung etc.) beseitigt wurden.

Umso mehr wir ihnen davon ermöglichen, desto besser entwickeln sie sich und es trägt weiterhin auch zu einer harmonischen Beziehung bei.

Unser Jüngster spielt beispielsweise liebend gern mit Türen, egal wo wir gerade sind 😉 ich ermögliche es ihm auch, solange keine Dritten davon Schaden nehmen!

Bild_Spielemax_Tür_Valentin
Bild_Türklinke_Folie
Bild_Waschbecken_Valle

Für zuhause hatte mein Partner eine tolle Idee. Er hat einfach an beiden Türklinken einer Tür Einpackfolie als Band befestigt, so kann unser Jüngster nach Herzenslust die Tür öffnen und schließen, solange er möchte.

Oder er spielt auch liebend gern am Waschbecken, Wasserhahn auf, Wasserhahn zu... Dafür stellt er sich einen Hocker vor das Waschbecken, steigt hoch und los geht's. Ich lege ein Handtuch unter das Waschbecken und gut ist. Ganz nach dem Motto von Maria Montessori "Hilf mir, es selbst zu tun!”.

Kinder brauchen Wiederholungen

Kinder wiederholen manche Dinge mehrfach, das gibt ihnen Sicherheit, verspricht Erfolgserlebnisse und ist wichtig für ihr Selbstwertgefühl. Sie wollen selber ausprobieren, wie sich Dinge verhalten und ihre Selbstwirksamkeit spüren. Dafür brauchen sie Zeit, unsere Geduld und unser Verständnis.

Was passiert, wenn die Tomate auf den Fußboden klatscht oder wenn der Stein ins Wasser fällt und, passiert immer dasselbe, wenn ich das tue?

Meine Generation hatte nicht das Privileg, autonom sein zu dürfen. Wir können es unseren Kindern heute erlauben, sie in ihrem Wachstum und in ihrer Wissbegierde zu unterstützen. Sie auf ihren Weg ins Erwachsenenleben bedürfnisorientiert begleiten. Wir wissen, wie wichtig Lernerfahrungen schon in jungen Jahren sind.

Wir müssen unsere Kinder nicht vor den zig Gefahren aus der Umwelt warnen, das können sie noch gar nicht aufnehmen und es verunsichert sie dermaßen, dass sie sich bald nichts mehr zutrauen und der “Lerneffekt” ausbleibt.

“Jede Art von Verunsicherung, von Angst und Druck erzeugt in ihrem Gehirn eine sich ausbreitende Unruhe und Erregung. Unter diesen Bedingungen können die dort über die Sinneskanäle eintreffenden Wahrnehmungsmuster nicht mit den bereits abgespeicherten Erinnerungen abgeglichen werden. Es kann so nichts Neues hinzugelernt und im Gehirn verankert werden. Oft wird die Erregung und das damit einhergehende Durcheinander im Kopf sogar so groß, dass auch bereits Erlerntes nicht mehr erinnert und genutzt werden kann. Das einzige, was dann noch funktioniert, sind ältere, sehr früh entwickelte und sehr fest eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster.“*

Wir dürfen uns immer fragen, was uns wichtiger ist, ein dreckiger/nasser Fußboden, den wir schnell wieder sauber/trocken wischen können oder aber die Beziehung zu unseren Kindern, die unter zu viel Maßregelung und Einschränkung leidet?

Alle Menschen, auch Kinder, wollen vom ersten bis zum letzten Atemzug autonom sein. Lasst sie Kinder sein. Lasst ihnen ihre intrinsische Motivation neues zu lernen, zu wachsen. Spielen ist Lernen - Experimentieren ist Lernen! Überängstlichkeit blockiert ihre Entwicklung! Vielleicht wirst du ganz überrascht sein, was dein Kind schon alles kannst, wenn du ihm nur die Möglichkeit dazu gibst!

Umso mehr wir sie unterstützen, desto besser kooperieren sie, was wiederum den Alltag leichter macht!

Info: Wenn du noch Tipps für mehr Kooperation deines Kindes brauchst, dann lies meinem Gastbeitrag "5 Tipps für mehr Kooperation".

Es ist an uns, Alternativen anzubieten, seid kreativ und geduldig 😉

*Quelle: https://www.dijg.de/ehe-familie/forschung-kinder/vertrauen-entwicklung-hirn/

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Anne Maaß

    Schöner Artikel!
    Es ist wirklich nicht immer leicht das Kind einfach machen zu lassen.
    Ich sollte einfach auch öfter abwägen, ob das Aufräumen danach vielleicht doch nicht so schlimm ist und die Erfahrung für das Kind doch mehr Wert ist. Das geht natürlich nur, wenn man selbst nicht gerade im Stess und bei sich selbst ist!

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